Mein Traum vom langen Lauf

Schon immer haben mich Menschen fasziniert, die allein durch ihre Muskelkraft und einen starken Willen im Stande sind, Großes zu leisten. Menschen, die zum Beispiel Expeditionen in unwegsame Gebiete unternehmen und sich unter widrigen Bedingungen an ihr persönlich gesetztes Ziel kämpfen oder auch Sportler(innen), vor allem Langstreckenläufer(innen), die gewaltige Distanzen hinter sich lassen.

Ich selbst war als Kind leider nie sehr sportlich, obwohl ich es mir eigentlich immer gewünscht habe. Mit Grauen denke ich auch heute noch an die verhassten Bundesjugendspiele in der Schule zurück. Schon Wochen vorher hatte ich Bammel vor dieser alljährlich wiederkehrenden Sportveranstaltung. Meine Sprungkünste waren katastrophal und sehr weit werfen konnte ich auch nicht. Über einen Bock zu springen, werde ich in diesem Leben wohl auch nicht mehr schaffen. Während meiner Schulzeit blieb ich darauf jedenfalls regelmäßig sitzen – sehr zur Belustigung meiner Mitschüler!

Läuferin

Nur Laufen konnte ich ziemlich gut und es hat mir auch große Freude bereitet. Deshalb wurde ich auch immer als eine der Ersten ins Staffellauf-Team gewählt, was mir bei anderen Mannschaftssportarten wie Hockey oder Volleyball eher selten passiert ist. Da musste ich doch recht lange und verschämt auf dem Bänkchen sitzen bleiben.

Ich kann mich auch noch dunkel daran erinnern, dass meine Zeiten damals bei Staffel-, Waldlauf und Co. ganz passabel waren und ich sogar stolz die ein oder andere Urkunde mit nach Hause gebracht habe. Und wenn ich ehrlich bin, dann schlummert schon damals der Wunsch in mir, vielleicht selbst einmal über mich hinaus zu wachsen, an einem Marathon oder Ähnlichem teilzunehmen und unter tosendem Jubel und mit wehenden Haaren über die Ziellinie zu fliegen.

Mein erster Versuch: Lauf, Jane, lauf!

Nach meiner Schulzeit bin ich nach Darmstadt gezogen und habe mich dort an der Fachhochschule eingeschrieben. An einem trüben Herbsttag saß ich dann mit einigen Kommilitonen in einem kleinen Kino in der Darmstädter Innenstadt, um mir den Film Forrest Gump anzuschauen. Ein schöner, aber nicht unbedingt sehr bedeutender Film. Dennoch gab es darin eine für mich sehr relevante Szene.

Läuferin

Auf der Leinwand vor mir hechelte ein verschwitzter Tom Hanks als Forrest Gump mit Zauselbart und ausgelatschten Nike-Cortez-Schuhen über den flimmernden Asphalt. Dicht gefolgt von einem Haufen drahtiger Läufer(innen). Im Hintergrund die roten und surrealen Sandsteinformationen des Monument Valley in Arizona. Auf die Frage eines Reporters, warum er denn nun schon seit mehr als zwei Jahren quer durch ganz Amerika rennt, kam die saloppe Antwort: „Ich hatte einfach Lust zu laufen!“

„Ja, die habe ich auch!“, dachte ich, und meine längst vergessene Lauflust war neu entflammt. Wieder zurück in meiner kleinen Studentenbude habe ich dann auch gleich meine olle Leggings und meine verstaubten Turnschuhe hervorgekramt und bin am nächsten Morgen schon zeitig in den nahe gelegenen Park marschiert.

Läuferin

Es lief auch alles super. Meine Schulzeit und der Sportunterricht lagen ja auch noch nicht so lange zurück. Die alte Kondition war also schnell wieder da und drei Monate lang habe ich fleißig meine Runden gedreht, bis … ja, bis die anfängliche Euphorie verflogen war, der innere Schweinehund mich doch besiegt hatte und die alten Laufklamotten schnell wieder in der hintersten Schrankecke verbuddelt wurden.

Mein zweiter Versuch: Langsam, langsam!

Einige Jahre später – mittlerweile hatte es mich nach Berlin verschlagen – blieb ich während eines Einkaufsbummels vor einem kleinen Buchladen hängen. Im Schaufenster vor mir lagen einige Laufbücher und eines davon hatte sogleich mein Interesse geweckt.

Das Buch handelte von einer ziemlich unsportlichen Frau, einer absoluten Nichtläuferin, die es innerhalb eines Jahres geschafft hatte, zu einer Marathonläuferin zu werden.

Beim Durchblättern im Laden verspürte ich auch gleich wieder ein leichtes Kribbeln im Bauch. War das vielleicht mein nun schon so lange unterdrückter Traum vom eigenen Marathonlauf, der mich da links an der Leber kitzelte?

Während ich mir die Bilder anschaute und den Text überflog, dachte ich trotzig: „Na, wenn die das kann, dann kann ich das auch!“ Träume sind ja schließlich da, um erfüllt zu werden.

Laufschuhe

Also habe ich mir das Buch samt dem darin enthaltenen Trainingsplan gekauft und daheim mal wieder meine alten Laufklamotten herausgesucht. Die Hose saß mittlerweile doch recht prall und an den Sohlen meiner Sportschuhe, die seit ewigen Zeiten in einem verbeulten Karton unbeachtet vor sich hingammelten, klebte sogar noch ein wenig Matsch von meiner letzten Parkrunde durch den Darmstädter Herrngarten – igitt, ich altes Ferkel!

Voller Elan machte ich mich kurz darauf ans Werk und arbeitete in den nächsten Tagen und Wochen penibel meinen Marathonplan ab. Natürlich wollte ich so schnell wie möglich an mein altes Leistungsniveau anknüpfen, hatte aber dabei wohl die Tatsache ausgeblendet, das ich mittlerweile ja doch ein paar Jährchen alter war und auch das ein oder andere Kilo mehr auf den Rippen hatte. Keuchend, mit einem hochroten Kopf und völlig geschafft beendete ich am ersten Tag mein Training, am zweiten genauso, am dritten, vierten und fünften Tag ebenso …

Läuferin

Jetzt müsste sie doch eigentlich bald wiederkommen, die alte Form von damals, als ich in der Schule wie ein Blitz durch den Wald und über die Tartanbahn geprescht bin. Doch es tat sich einfach nichts, ganz im Gegenteil. Statt wieder fit, schnell und vielleicht auch etwas schlanker zu werden, wurde ich immer müder und fühlte mich richtig ausgelaugt.

Frustriert kämpfte ich mich durch einschlägige Fachliteratur und fand schnell eine plausible Erklärung für mein Problem. Mein Fehler war wohl, dass ich meinem untrainierten Körper einfach zu viel zugemutet und ihn mit meinem starren Marathonprogramm völlig überfordert hatte. Ich habe ganz einfach zu oft, zu lange und zu hart trainiert.

Läuferin

Ich beschloss daraufhin nur noch nach Gefühl zu laufen und warf den mittlerweile verhassten Marathonplan in den Papierkorb. Langsam, in einem gleichmäßigen Tempo und vor allem ohne Keuchen zog ich von nun an meine Runden durch das schöne Berlin. Ich steigerte mich von Lauf zu Lauf und blieb beinahe ein ganzes Jahr am Ball, bis … ja, bis sich dann durch einige längere Reisen und mein anschließender Umzug in die alte Heimat der Schlendrian doch wieder eingeschlichen hat.

Mein dritter Versuch: Jetzt aber wirklich!

Dass ich es letztendlich doch noch geschafft habe, eine Läuferin zu werden, verdanke ich wohl der Corona-Pandemie. Plötzlich waren spontane Treffen mit Freunden, Besuche im Fitnessstudio, Wanderungen mit Einkehr oder andere Freizeitaktivitäten einfach nicht mehr möglich. Lockdown folgte auf Lockdown und schon bald hatte ich ein ungeheuer starkes Bedürfnis, mich zu bewegen, zu rennen und das Gefühl, einfach raus zu müssen, raus in die Natur und an die frische Luft. Ich kramte also meine alten Laufbücher hervor, erstellte einen leichten Trainingsplan und bestellte mir im Internet eine komplett neue Laufausrüstung.

Langsam und stetig fing ich mit dem Training an. Fast ein Jahr hat es gedauert, bis ich meine alte Berliner Form wiederhatte und auch längere Strecken ohne Unterbrechung zurücklegen konnte.

Läuferin

Den Traum, einmal selbst einen Marathon zu bewältigen, habe ich mittlerweile begraben. Lange und einsame Läufe durch die Berge oder über schmale Küstenpfade mit traumhaften Aussichten reizen mich heute viel mehr und so lassen sich auch meine beiden Leidenschaften – das Laufen und das Reisen – wunderbar miteinander kombinieren. Locker und entspannt trabe ich heute dreimal die Woche meine 10 Kilometer durch Wald und Flur und kann mir gar nicht mehr vorstellen, für eine längere Zeit nicht zu laufen. Endlich habe ich es geschafft, ich bin eine Läuferin und jetzt, da das Reisen auch wieder problemlos möglich ist, freue ich mich auf all die schönen Laufstrecken, die überall auf der Welt auf mich warten.

Gehst du auch so gerne Laufen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Hinweis: Dieser Artikel enthält unbezahlte Werbung durch Markennennung/Markenerkennung, persönliche Empfehlungen und weitere werbende Inhalte. Mehr zum Thema Werbung auf meinem Blog liest du hier.

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